Glaube in der modernen Zeit
Gerade der Alltag mit seinen Ereignissen, mit den Festen und Mühen, mit den Freundschaften und Entfremdungen, mit den Erfolgen und den Enttäuschungen hat große Bedeutung für uns Menschen: Inmitten dieses wechselhaften Lebens sollen wir nämlich wachsen, reifen und Profil gewinnen, eine Persönlichkeit werden. Das geht natürlich nicht ohne Fehler, Stürze, Rückschritte und Leerläufe.
So wie die eigene Persönlichkeit kennt auch der eigene Glaube Entwicklung und Reifung: Je „kindlicher” die Lebenserfahrung, desto kindlicher der Glaube. Je reicher die Lebenserfahrung (mit all den Schrammen), desto weiter, tiefer und hilfreicher der Glaube (wenn dieser auch mitwachsen durfte und ebenfalls seine Schrammen abbekommen hat).
Letztlich bedeutet Glaube eine Zu-Mutung – die Zu-Mutung, Gott mehr zuzutrauen als allen anderen Mächten, Kräften, Einflüssen und Instanzen. Damit verbunden ist zugleich die Zu-Mutung zu einem Leben, das sich den Mitmenschen öffnet, das Zuwendung wagen lässt und vergeben hilft. Wir Menschen brauchen und können dabei jedoch nicht perfekt sein.
Am konkreten Leben wird erkennbar, was Glauben bedeutet:
- gelassener leben, weil letztlich nicht alles von mir abhängen muss;
- Weitherzigkeit und Weitblick, weil da ein größerer Horizont ist als das eigene Ich;
- meine Mitmenschen wahrnehmen und mich für andere einsetzen, weil Einer langen Atem gibt und Vorbild ist;
- Engagement und Widerspruch riskieren, weil ich selbst Zuwendung erfahre ...
- Durststrecken aushalten, kleine (Fort-)Schritte wagen, weil es eine Beziehung gibt, die trägt und ermutigt;
- humorvoll Hoffnung wagen, weil ich weiß, wem ich vertraue und auf wen ich setze.
Bei all dem zeigt sich, dass der Glaube an Gott, das Vertrauen zu ihm und seiner Nähe unsere besten Kräfte freisetzt.
Krisen können zur Reifung führen
Im Glauben gibt es auch Krisen, wenn sich etwa der Kinderglaube als nicht mehr hilfreich für die Fragen und die Lebensgestaltung eines Jugendlichen oder Erwachsenen erweist. Oder wenn Schicksalsschläge und Enttäuschungen an der Liebe Gottes zweifeln lassen und unter Umständen sogar zum Verlust des Glaubens führen. Krisen können auch zu Reifung führen. Krisen bieten, wenn man sie besteht, die Chance, den Glauben zu vertiefen und wachsen zu lassen.
Es gibt einen Test für den Wert unserer Praxis und für den Wert von Glaubensüberzeugungen: Helfen sie leben, gerade in den schwierigen Situationen und Stunden? Oder fördern sie eher ein Sich-Wegträumen von den Anforderungen des Lebens, so dass sich erst recht nichts ändert.